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POP
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Natalie Merchant
NATALIE MERCHANT
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Nonesuch CD
(49’)
Da ist sie wieder, diese Stimme,
die die Illusion erweckt, Steine
zum Schmelzen zu bringen: Mit
dunkel-warmem Timbre streichelt
sie einen, man glaubt sich geborgen
vor den Tiefschlägen des Lebens.
Dass jeder Song melodisch-har-
monisch eine Perle ist, die sich
nach mehrmaligem Hören schnell
zu erschließen scheint, und doch
ihr Geheimnis bewahrt, verstärkt
diesen Eindruck noch.
Das sechste Soloalbum Natalie
Merchants kreist nach eigener Aus-
sage um Themen wie „gefundene
und verlorene Liebe, Bedauern,
Verleugnung, Aufgabe, Gier, Zer-
störungswut, Niederlage und ge-
legentlichen Triumph“. Wenn eine
Musikerin ein Album nach ihrem
Namen benennt, dann heißt das
so viel wie: „Achtung, das ist mein
definitives Statement“. Ob es sich
um das stärkste Album dieser auch
sozial sehr engagierten Künstlerin
handelt, ist vielleicht erst in der
Rückschau sicher zu beurteilen.
Fest steht, dass ihr erstes Werk seit
13
Jahren, für das sie Musik und
Texte selbst geschrieben hat, an Ver-
gangenes erinnert. So zitieren die
Backgroundvocals des unverschämt
geschmeidig in die Ohren gehenden
Openers „Ladybird“ ihren Hit „Kind
&
Generous“, während das darauf-
folgende „Maggie Said“ folkige
Töne anschlägt, wenn auch nicht so
puristische wie auf dem Album „The
House Carpenter’s Daughter“. Zum
Abwechslungsreichtum trägt die Ins-
trumentierung bei. So verstärken
bei „Black Sheep“ solistisch einge-
setzte Klarinette und Saxofon die
leicht bluesige Atmosphäre, und
ein (geschmackvoll) eingesetztes
Orchester schafft bei „Lulu“ den
Rahmen für eine große Ballade.
„Natalie
Merchant“
als
ein
Meisterwerk der Singer/Songwri-
terkunst zu bezeichnen, scheint
nicht zu hoch gegriffen, wobei es
zugleich den Vorzug hat, sehr zu-
gänglich zu sein: Vorstellbar, dass
manche der Songs im Laufe der Zeit
wie Freunde werden, die einen ein
Leben lang begleiten. Unterstützt
wird der intensive Eindruck durch
eine grandiose Aufnahmetechnik,
die man so bei aktuellen Poppro-
duktionen jenseits der audiophi-
S len Nische kaum noch erwartet.
Andreas Kunz
s
Z
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★ ★
Truth North/Alive CD
(50’)
Auch als LP erhältlich
Mit dem Akkordeon prominent im
Mix würde man „Living With A Long
Way To Go“ musikalisch eher in
Louisiana denn in den Weiten von
Kanada verorten. Pedal Steel und
Akkordeon bei „Farewell, God Bless
You, Goodbye“ erinnern dagegen
mehr an den Neil Young von „Old
Ways“. Beim vierten Album von
dem Folk-Neigungen nicht verheh-
lenden Del Barber war Blaupause
die „Cowboyography“-LP von Ian
Tyson. So sehnsüchtig wie dessen
„Four Strong Winds“ klingt hier
mehr als eine Ballade. Exempla-
risch gelungen ist der „organische“
Sound dieser famos produzierten
Platte.
F. Sch.
MUSIK ★ ★ ★ ★ ★
KLANG ★ ★ ★ ★
Pixies
INDIE CINDY
Pixies Music CD (auch als LP erhältlich)
(46’)
Seit knapp zehn Jahren rocken
die Pixies wieder erfolgreich über
internationale
Konzertbühnen,
ebensolang wurde über ein neues
Album spekuliert. Mit „Indie Cindy“
ist es nun so weit -
23
Jahre nach
dem letzten. Fast könnte man
meinen, die Zeit wäre stehen
geblieben. Die Herrschaften um
Frontman Black Francis sind ihrem
individuellen Stil treu geblieben
und haben die Zuneigung für Gi-
tarren und Verzerrer nicht verlo-
ren. Nur ein wenig sauberer und
strukturierter sind sie musikalisch
vielleicht geworden. Neue Maßstä-
be wird „Indie Cindy“ nicht setzen,
aber wozu auch: Legenden sind die
Pixies ja bereits.
cb
MUSIK
KLANG
★ ★ ★
Luka Bloom
HEAD & HEART
Skip/Soulfood CD
Neben schön umgesetzten Tra-
ditionals sowie ein paar Songs
aus eigener Feder besticht Luka
Blooms jüngstes Werk vor allem mit
Fremdtiteln, die er sich souverän zu
eigen macht. Das liebestrunkene
„Head And Heart“ etwa singt der
Ire mit noch mehr Demut in der
Stimme als John Martyn einst beim
Original. Und bei Dylans Songgebet
„Every Grain Of Sand“ geht es ihm
nicht um die Bibelbezüge im Text,
sondern um die Universalität des
Erlösungsgedankens. Bei einigen
Tracks wird der „kleine“ Bruder
von Christy Moore vom Phil Ware
Trio kongenial begleitet, das gibt
seinem Folksound einen luftig-lo-
ckeren Jazztouch.
hake
MUSIK ★ ★
KLANG
★ ★ ★ ★
Jolie Holland
WINE DARK SEA
Anti/Indigo CD
(55’)
Laut Plattenfirma von der aktuellen
New Yorker Jazz- und Experimen-
tal-Szene inspiriert, erinnern „On
And On“ und „Dark Days“ mit
den Verzerrer/Feedback-Orgien
eher an den Lou Reed der frühen
Velvet Underground. Allen klir-
renden E-Gitarren zum Trotz ist
dann „Route
30
“ ein schon sehr
anheimelnder Countrysong, und
„The Love You Save“ klingt wie
feiner Gospel/Soul-Klassizismus in
Mavis Staples-Tradition. „Most of
my heroes died in the gutter“ singt
Jolie Holland in „Saint Dymphna“.
Mit op.
6
wollte sie sich dennoch
deutlich von autobiografischer
Songwriter-Confessio absetzen.
F. Sch.
MUSIK
KLANG ★ ★ ★
Rea Garvey
PRIDE
Polydor/Universal CD (auch als LP erhältlich) (29')
Seine Rolle in der Jury von „The
Voice Of Germany“ hatte seine Kar-
riere wesentlich angekurbelt .
.. und
ihn anscheinend doch künstlerisch
ausgebrannt, denn nach eigener
Aussage war es nun wichtig für Rea
Garvey, wieder zur Musik zurückzu-
finden. Das gelang ihm durch eine
Rückbesinnung auf seine Wurzeln:
Obwohl man ihm seine irische
Heimat bislang nie anhören konn-
te, sind auf „Pride“ typisch irische
Melodien ebenso zu finden wie
bierselige Pub-Ruppigkeit a la The
Pogues. Seiner eh schon patheti-
schen Musik tut es gut, wenn Banjo,
Chorstimmen und Nachdenklichkeit
regieren statt plumper Plastik-Beats
und vorhersehbarer Melodien.
pb
MUSIK
KLANG ★ ★ ★ ★
122 STEREO 6/2014
hervorragend I ★
seh r gut I ★
so lid e I ★
pro blem atisch I ★
sch lech t
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